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„Man ist sein eigener Herr und schafft etwas“

Von Simone Andrea Mayer (dpa)
Datum: 22.05.23
 Wer zu Hause werkelt, kann daraus Befriedigung ziehen – warum, das erklärt Ludwig Andrione. Foto: Christin Klose (dpa)
Wer zu Hause werkelt, kann daraus Befriedigung ziehen – warum, das erklärt Ludwig Andrione. Foto: Christin Klose (dpa)

Interview: Warum uns das Heimwerken so guttut, erklärt der Psychologe Ludwig Andrione – und gibt Tipps, wie die Freizeittätigkeit nicht in Stress ausartet.

Herr Andrione, was treibt Menschen an, die einem anstrengenden Job nachgehen, sich in ihrer Freizeit auch noch ins Heimwerken zu stürzen?

Ludwig Andrione: Wir müssen hier grundsätzlich unterscheiden zwischen Erwerbsarbeit und sonstiger Arbeit. Manchmal ist die Erwerbsarbeit nicht gerade das, was uns so wahnsinnig Spaß macht und erfüllt. Man erlebt bei der Arbeit nicht immer Sinn – und das ist auch nicht unbedingt nötig. Man kann einen Job machen, der einfach ein Job ist. Dann findet man Sinn vielleicht woanders, etwa im Heimwerken. Dazu kommen menschliche Grundbedürfnisse wie Autonomie. Selbst wenn man einer Arbeit nachgeht, bei der man körperlich etwas tut, also vielleicht Motoren zusammenschraubt, hat man da oft wenig Autonomie. Das ist ganz anders bei der Heimarbeit. Wenn man zu Hause etwa einen Schrank repariert, erlebt man dabei seine Kompetenz, erlebt, was man so kann. Man ist sein eigener Herr und schafft etwas. Das kann auch noch eine gewisse Verbindung zu seinem Umfeld aufbauen, auch vielleicht zu seinen Lieben. Und damit sind wir schon bei einem Grundbedürfnis, das hier wichtig ist: bei der Verbundenheit.

Nun klappt beim Bauen ja nicht immer alles, gerade für Anfänger kann Heimwerken auch Frust bedeuten. Wie entsteht ein positives Gefühl?

Andrione: Man sollte sich nicht unbedingt der superschweren Aufgaben annehmen. Nicht derjenigen, bei denen man schon vorher abschätzen kann, dass das ziemlich schwer wird. Klar, es kommt auf die Fähigkeiten an. Man sollte sich eher mittelschwere Aufgaben suchen, an denen man auch ein bisschen wachsen kann.

So manch einer baut ja sein Eigenheim zu Teilen selbst oder saniert viel zu Hause. Wie verhindere ich, dass ich mich neben meiner Erwerbsarbeit privat übernehme?

Andrione: Hier ist es gut, wenn man eine gute Planung hat. Um auch für sich selbst Ressourcen zu schaffen. So ein Umbau etwa ähnelt ja auch schon sehr einer Erwerbsarbeit, auch wenn man ihn natürlich in der Freizeit macht und es irgendwie mehr oder weniger zum Spaß ist. Denn selbst wenn Sie richtig Lust darauf haben und zum Beispiel einen Ausgleich zu Ihrer Tätigkeit im Topmanagement suchen, die nur mit dem Kopf stattfindet, wenn Sie zu Hause die Tapete abkratzen und mit Mörtel arbeiten wollen, kann das anstrengend sein – und zu viel werden. Daher macht es Sinn, ähnlich wie bei der Erwerbsarbeit, sich einen Plan zu machen und möglichst kleinschrittige Aufgaben zu setzen. Aufgaben, die Sie auch realistisch an einem Tag schaffen können. Denn wir neigen dazu, uns immer zu wenig Zeit für Aufgaben zu geben.

Können Sie ein praktisches Beispiel nennen?

Andrione: Ich will eine Wand neu gestalten. Dann schaue ich mir Schritt für Schritt an, was getan werden muss: Wie mache ich den Putz an, was brauche ich dafür? Ich mache mir also eine ganz kleinteilige To-do-Liste mit realistischen Zeitvorgaben. Wenn man dann merkt, es wird doch zu stressig und man schafft nicht mehr alles am gleichen Tag, dann sollte man zu sich sagen können: „Das ist so in Ordnung. Es ist in Ordnung, ein paar Sachen nach hinten zu verschieben. Denn es ist ja meine Freizeit.“


Zur Person: Ludwig Andrione

Der Münchner Psychologe ist im Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie, Eignungsdiagnostik und Trainings tätig. Andrione ist Gründer der Fachgruppe New Work im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, die sich mit dem Thema Sinn bei der Arbeit beschäftigt.

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